Tailor Welded Blanking Digital
31.07.2024 | Salzgitter Flachstahl GmbH
Die Notwendigkeit des immer effizienteren Einsatzes von Energie und Ressourcen bleibt eine große Herausforderung, die nur mit innovativen Lösungen zu bewältigen ist. Ein schneller, günstiger und ressourcenschonender Ansatz ist die Anwendung von digitalen Methoden. Vor allem bei anspruchsvolleren Fertigungsketten, wie die Herstellung von Karosseriebauteilen aus Tailor Welded Blanks ist es sinnvoll, die Produktauslegung bzw. die Prozessauslegung vor der eigentlichen Produktion digital und ganzheitlich zu simulieren, um Werkzeuganpassungen und unnötige Versuche zu verhindern. Dies funktioniert mit der Benutzung eines sogenannten digitalen Zwillings für die bestehende oder fiktionale Prozesskette durch die Verknüpfung von numerischen Simulationen, die die einzelnen
Prozessschritte abbilden.
Auf dem Weg hin zu klimaneutralen Fahrzeugen gewinnen die Emissionen der Entwicklungs- und Produktionsphase von Fahrzeugen und Komponenten durch die Reduktion der Emissionen während der Nutzungsphase an Gewicht. Deshalb ist es wichtig, die Einsparpotentiale in diesen Phasen zu erkennen und zu nutzen. Besonders für komplexe Bauteile, die eine aufwändige Entwicklung und Prozessauslegung benötigen, zeigt sich das Zukunftspotential digitaler Methoden, wodurch ressourcenschonend prozessübergreifende Wechselwirkungen detektiert und ausgenutzt werden können.
Ein Beispiel hierfür ist die Anpassung der Prozesskette von Tailor Welded Blanks (TWBs) bei der Verwendung neuer Werkstoffe.
Einsparungen bei der Auslegung durch numerische Simulationen
Mit Hilfe von Finite-Elemente-Simulation kann realitätsnah eine hohe Anzahl an Simulationen von Experimenten durchgeführt werden, ohne dass reale Materialien oder Werkzeuge eingesetzt werden müssen. In der Regel wird dies für die Optimierung einzelner Herstellungsschritte, wie zum Beispiel das Schweißen oder das Umformen eingesetzt. Für den Einsatz in Fertigungsketten müssen diese Einzelsimulationen verknüpft werden. Dadurch können ebenfalls Wechselwirkungen und Einflussfaktoren auf weitere Verfahren evaluiert werden. Zuerst werden die aufgebauten Einzelmodelle für einen expliziten Parametersatz an realen Bauteilen validiert und im Anschluss werden die Simulationen über eine selbst entwickelte digitale Plattform verknüpft. Dadurch können in bestimmten Prozessfenstern Parameter variiert und verschiedene Strategien getestet werden. Dieses Vorgehen führt im Falle der energie- und materialintensiven Auslegungsprozesse wie beim Tailor Welded Blanking im Vergleich zu konventionellen Methoden durch eine Reduktion physischer Versuche zu enormen Einsparungen.
Weiterhin können in kürzester Zeit teilautomatisiert eine große Anzahl an Versuchen durchgeführt werden, wodurch der Schweißprozess hinsichtlich der Umformung optimiert werden kann. Als finales Ergebnis ergeben sich auf den Umformprozess hin optimierte Schweißparameter. Das Hauptaugenmerk hierbei liegt in der Umformung als steuernde Größe: Dieses Ergebnis entscheidet über die weiteren Anforderungen an die Schweißstrategie.
Bewertung von Umformsimulationen in Abhängigkeit der Eingangsparameter
Parameter, die das Umformergebnis beeinflussen, lassen sich in drei Kategorien unterteilen.
- Unabhängige Werkstoffeigenschaften (Walzrichtung der Platine)
- Schweißeigenschaften (Lage, Breite und Festigkeit der Schweißnaht und die Ausprägung der Wärmeeinflusszone)
- direkte Umformparameter (Niederhalterkraft, Tribologie und Werkzeuggeometrie sowie Schweißnahtaussparungen)
Die Bewertung der gezielten Veränderung der Parameter erfolgt anhand der festgelegten Zielgrößen. Mit dieser Bewertung können Empfehlungen für den Schweißprozess abgeleitet werden.
Dadurch können komplizierte Zusammenhänge, wie zum Beispiel der Zusammenhang von Schweißgeschwindigkeit auf die Rissneigung während der Umformung untersucht werden. Dies erfolgt durch eine Veränderung eines Parameters innerhalb der Schweißsimulation, wobei alle anderen Parameter konstant bleiben und das Resultat der Schweißsimulation mit angepasstem Parameter an die Umformsimulation übergeben wird.
Verknüpfungsmöglichkeiten und ihre Herausforderungen
Die Simulationssoftware wurde meist für spezifische Anwendungsfälle entwickelt und die Ergebnisse der einen Schweißsimulationsoftware ist nicht ohne Weiteres als Input der anderen für die Umformsimulation nutzbar. Um die Ergebnisse der thermischen Schweißsimulation als Eingangsgröße in die mechanische Umformsimulation übergeben zu können, wurde zum Zweck der Verknüpfung der beiden Simulationen neue Komponenten für eine hauseigene digitale Datenmanagementplattform entwickelt.
Für die Übergabe der Schweißsimulation an die Umformsimulation ist also ein Zwischenschritt nötig, in dem die Geometrie vereinfacht wird.
Über die Analyse und Transformation der Ergebnisse der Schweißsimulation kann eine für die Umformsimulation einlesbare Geometrie erzeugt werden. Diese Geometrie besteht aus mehreren Zonen, denen verschiedene Dicken und Materialkarten zugewiesen werden können. Zur Simulation wird ein sogenannter digitaler Zwilling – ein digitales Abbild des Bauteils - aufgebaut.
Ablaufplan zur Erstellung eines digitalen Zwillings
Das Durchlaufen der Strecke im digitalen Zwilling umfasst die folgenden Punkte.
1. Upload der Ergebnisse der Schweißsimulation auf die Plattform
2. Generierung einer 2D Außenkontur als Datei
Aus den Lageinformationen der verschweißten Komponenten wird eine 2D Außenkontur abgeleitet. Die Geometrien der Schweißnaht und Wärmeeinflusszone werden über Schmelzbad (maximal erreichte Temperatur) und Beginn des Anstiegs des Martensitgehalts gegenüber dem Grundwerkstoff markiert.
3. Download des Inputs für die Umformsimulation
Der Umformer kann die so generierte Datei herunterladen. Er führt anschließend die Umformsimulation in seiner Software und seinen Parametern durch.
Die Anpassung der Schweißsimulation schließt den Loop.
Die Schweißsimulation stellt ihr Ergebnis mittels dreidimensionaler Volumenelemente dar. Mithilfe der digitalen Plattform wird eine vereinfachte zweidimensionale Darstellung erzeugt, die Informationen über die Lage der Schweißnaht und Wärmeeinflusszone enthält und dadurch in Schalenelementen modelliert werden kann. Diese Daten werden für die Umformsimulation genutzt und das Ergebnis wieder in die digitale Plattform eingespeist. Die Parameter der besten Simulationsergebnisse werden hervorgehoben, und helfen bei der Planung neuer Schweißsimulationen.
Den kompletten Artikel finden Sie im Magazin „Stahl + Eisen“, Ausgabe 10 vom Oktober 2023, S. 43 ff.